Stellungnahme zur Föderalismusdiskussion im Bildungsbereich

Juso-Hochschulgruppe

Beschluss des Landeskoordinierungstreffens vom 6. November 2004

Zu den aktuellen Beratungen der Kommission zur "Modernisierungder bundesstaatlichen Ordnung"
(Föderalismus-Kommission) von Bundestag und Bundesrat beziehen die Juso-Hochschulgruppen Baden-Württemberg Stellung:

Den Juso-Hochschulgruppen ist bewusst: Der Gesetzgebungsprozess im Bildungs- und Hochschulbereich muss reformiert werden. Es muss klare Abgrenzungen zwischen den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und denen der Länder geben. Es muss klare Abgrenzungen zwischen den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und denen der Länder geben. Das Hochschulrahmengesetz hat sich in letzter Zeit als zu schwerfällig erwiesen. Doch eine Abgrenzung im Hochschulbereich zugunsten einer Kompetenzverschiebung zur Länderseite, wie es die meisten Bundesländer und die Union fordern, lehnen wir ab! Wir brauchen mehr und nicht weniger Bundeskompetenz im Hochschul- und Bildungsbereich, um die Qualität des Bildungs- und Wissenschaftssystems in Deutschland zu verbessern!

Eine Entflechtung der Kompetenzen zugunsten der Bundesländer würde bedeuten, ihrer Kernkompetenz gerecht zu werden und ihre Eigenständigkeit zu fördern. Die Förderung der Eigenständigkeit jedes einzelnen Bundeslandes bedeutet aber auch die Verschiedenheit der Bundesländer zu fördern. Der oft beklagte "Flickenteppich" im deutschen Bildungssystem würde noch feingliedriger werden!

Was bedeutet es, wenn die Bundesländer alleine über das "ob" und das "wie" der Einführung von Studiengebühren entscheiden könnten? Über das Studium würde nicht mehr nur die soziale Herkunft sondern auch die regionale Herkunft entscheiden. Wer Glück hat, wohnt in einem Bundesland mit niedrigeren oder gar keinen Studiengebühren. Diese Ausdifferenzierung ist absehbar: Während die reichen Bundesländer des Südens am liebsten gleich morgen Studiengebühren einfordern würden, zögern die ostdeutschen Bundesländer mit dieser Entscheidung aus Rücksicht auf die soziale Situation der Einwohner. Die Folge ist ein Gebührenteppich und ein einsetzender "Gebühren-Vermeidungs-Tourismus" der Studierenden zwischen den Bundesländern.

Wegen der bundesweiten Zuweisung von Studienplätzen durch die ZVS wäre eine Einführung von Studiengebühren besonders problematisch und damit abzulehnen: Es darf nicht sein, dass man in München für sein Studium bezahlen muss und in Kiel nicht.

Ähnliches gilt für den Hochschulbau. Sollte der Hochschulbau in die alleinige Kompetenz der Länder fallen, könnten sich gerade die ostdeutschen Länder, aber auch westdeutsche Stadtstaaten aufgrund ihrer überproportionalen Ausbildungslast dringend benötigte Neubaumaßnahmen oder Anschaffungen von Großgeräten finanziell nicht mehr leisten. Klar ist, dass der Hochschulbau reformiert werden muss, eine Übertragung jeglicher Kompetenz in Länderhand oder die Beschränkung der gemeinsamen Aufgabe auf die Anschaffung von Großgeräten ist jedoch keine Lösung.

Laut der Bologna-Erklärung sollen Studiengänge international vergleichbar sein. In Deutschland ist das Gegenteil die Realität. Die Inhalte der Studienfächer unterscheiden sich gravierend zwischen Bundesländern. Bei einem Studienortwechsel zwischen Bundesländern kommt es häufig zu Problemen bei der Anrechnung von Studienleistungen. Diese negativen Folgen fehlender bundeseinheitlicher Regelungen werden schon heute beim Lehramtsstudium deutlich. Wir brauchen nicht größere Unterschiede zwischen den Bundesländern, sondern einheitliche Qualitätsstandards und Regelungen, die die Mobilität von Studierenden - auch innerhalb Deutschlands - gewährleisten! Es muss gewährleistet werden, dass bei einem Hochschulwechsel alle Studienleistungen angerechnet werden - egal ob diese im europäischen Ausland oder in einem anderen Bundesland erworben wurden.

Gerade das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur 5. HRG-Novelle hat es gezeigt. Der Bund hat im Dienstrecht kaum Entscheidungskompetenz. Die meisten Länder haben die Juniorprofessur dennoch bereits eingeführt, andere nicht. Doch was für die Studierenden gilt, soll auch für die Lehrenden und Forschenden gelten. Sie müssen in jedem Teil der Bundesrepublik gleiche Bedingungen vorfinden.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass der oftmals beschworene Wettbewerbs-Föderalismus auch ein Konkurrenzföderalismus ist. In Konkurrenzsituationen gibt es immer Gewinner, aber auch Verlierer, die auf der Strecke bleiben. In der Bildung darf es aber keine Verlierer geben! Deshalb sprechen sich die Juso-Hochschulgruppen gegen den Konkurrenzföderalismus aus und fordern dafür eine Stärkung der Kompetenzen des Bundes, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu gewährleisten.

Die Zerstrittenheit der KultusministerInnen zeigt zudem deutlich, dass die Regelung der Rahmenbedingungen über Staatsverträge kein gangbarer Weg ist. Die aktuelle Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 72 GG und Art. 75 GG hat gezeigt, dass die Mitwirkungsrechte des Bundes aufgrund Art 72 II GG sehr begrenzt sind.

Deshalb fordern die Juso-Hochschulgruppen die Überführung der Inhalte des Hochschulrahmengesetzes aus Art. 75 GG in die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 GG oder die ausschließliche Gesetzgebung nach Art 71 GG. Um gleichwertige Lebensbedingungen im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten, müssen mindestens die Bereiche Hochschulzugang, Abschlüsse, Qualitätssicherung und Dienstrecht einheitlich geregelt werden! Der Hochschulzugang muss für alle offen sein, daher muss selbstverständlich auch das Studiengebührenverbot weiterhin bundeseinheitlich ausgesprochen werden. Beim BAföG muss die Mischfinanzierung von Bund und Ländern erhalten bleiben. Eine alleinige Zuständigkeit der Länder würde den Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse komplett aushebeln. Ein bundeseinheitliches BAföG und das Studiengebührenverbot sind damit zwei nicht gegeneinander auszuspielende Grundbedingungen erfolgreicher Hochschulpolitik.

Die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau nach Art. 91a GG muss im Grundsatz erhalten bleiben. Nur durch die paritätische Finanzierung ist es ärmeren Bundesländern und den Stadtstaaten möglich, in die Bausubstanz von Großanlagen zu finanzieren. Ein Rückzug des Bundes würde diese Länder abkoppeln. Selbiges gilt für die gemeinsame Forschungsförderung nach Art. 91b GG. Die gemeinsame Bildungs- und Forschungsplanung nach Art. 91b GG muss zur verpflichtenden Aufgabe erklärt werden. Bildungsplanung in Deutschland darf nicht ein Nebenher unterschiedlicher Systeme sein, sondern muss gemeinsam in Angriff genommen werden!

Eine Reform der Zuständigkeiten im Bildungs- und Hochschulbereich darf nach Ansicht der Juso- Hochschulgruppen nicht das Ziel stärkeren Wettbewerbs und verschärfter Konkurrenz zwischen Ländern haben. Ziel muss es sein, die Qualität des gesamten nationalen Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungssystems zu verbessern.

(V.i.S.d.P. Sascha Meßmer)

 

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