Bericht über das große Juso-Bundestags-Wahlkampf-Camp

Jusos in Aktion

Wahlkampfcamp 2009 der Jusos Baden-Württemberg vom 03. bis zum 06. September im DGB-Jugendcamp Markelfingen

Wahlen gewinnen. Den Bundeskanzler stellen. Deutschland gestalten.

Es regnet und es ist kalt. In einem zugigen Zelt am Bodensee sitzen (freiwillig!) über 30 junge Leute und diskutieren über Politik. Die Jusos Baden-Württemberg haben zu ihrem Wahlkampfcamp 2009 eingeladen, mit dem sie gut gerüstet noch einmal Kraft schöpfen und Ideen sammeln für die heiße Phase, die jetzt folgt. Es sind noch ziemlich genau drei Wochen, bevor die Menschen in Deutschland darüber abstimmen, ob sie ihren Kindern eine unsoziale marktradikale Zukunft über-lassen oder ob sie für ein solidarisches, modernes und verantwortungsbewusstes Miteinander wollen. Ein kurzer Abriss:

Wahlkampf auf der Straße: Die Menschen gewinnen.
Nicht nur über ein abstraktes Programm reden, sondern auf die Straße gehen und die Herzen der Menschen gewinnen – die Jusos sind innovativ, wenn es darum geht, Wahlkampf zu führen und zeigen den etablierten GenossInnen immer wieder, dass die Partei sich offensiv ver-markten muss. So auch am Samstagmittag. Nachdem drei Gruppen verschiedene Konzepte entwickelt hatten, fahren die Jusos in die Konstanzer Innenstadt. Da gibt es die Gruppe „Kasino-Kapitalismus“, welche mitten in der Fußgängerzone Roulette spielt und Flyer zur Finanzmarktregulierung verteilt. Botschaft: Schwarz-Gelb zockt!

Oder aber die Gruppe zur Energie-Politik, bei der kleine Atommüll-Fässer beim Dosenwerfen im Wasser landen: Mit Atomenergie kannst du baden gehen! Eine weitere Aufsehen erregende Aktion koordinieren die Jusos mit ihrem Wahlkampfbus. Angelehnt an das Prinzip der populären „Flashmobs“ hält der Juso-Bus spontan an roten Ampeln, die Türen gehen auf, Jusos mit Steinmeier-Logo auf dem Rücken (gesprüht) sprin-gen raus, verteilen Flyer, steigen wieder ein und fahren weiter.

Etwas später am Nachmittag kommt dann der SPD-Bundesgeneralsekretär Hubertus Heil nach Konstanz, um über Aufstieg durch Bildung zu sprechen. Er erhält viel Applaus für seine Forderung, Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule gebührenfrei zu halten. Deutschland verfüge bekanntlich nicht über Rohstoffe. Es seien deshalb die Köpfe der Menschen, in die investiert werden müsse. Es brauche in unserem Land mehr Wertschätzung für Bildung.

Praxistest: Sascha Binder und Peter Friedrich zeigen, worauf es ankommt
Viel Praxiserfahrung bekommen die Jusos auch in Gesprä-chen mit dem kommissarischen SPD-Landesgeneralsekre-tär Peter Friedrich MdB (Wahlkreis Konstanz) und dem Juso-Spitzenkandidaten Sascha Binder (Wahlkreis Göppin-gen) mit auf den Weg, die beide für den nächsten Bundes-tag kandidieren. Peter Friedrich verweist auf das Online-Ange-bot der Landespartei, welches er moderner gestalten will. Das solle helfen, die SPD in Zukunft in die Rolle des Fragestellers zu setzen. Menschen müssten sich bei den SozialdemokratIn-nen mit ihren Problemen gut aufgehoben fühlen. Dafür sei es als Politiker wichtig, persönlichen Kontakt zu den Menschen zu pflegen und sie nicht mit Infomaterialien zu bombardieren.

Der Juso-Spitzenkandidat Sascha Binder muss ein wenig härter kämpfen, wenn er sein Ziel erreichen will. Im Gegensatz zu Peter Friedrich MdB von der Landespartei keinerlei abgesichert, betreibt er seit mehreren Monaten einen furiosen Wahlkampf, um so viele Menschen wie möglich von seinen Zielen zu überzeugen. Und er zeigt sich positiv: Viele Menschen hätten sich noch nicht entschieden, wen sie am 27. September wählen wollten. Es lohne sich zu kämpfen.

Moderne Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe
Was bedeutet moderne Gleichstellungspolitik heute und wie kann sie verwirklicht werden? Eigene Standpunkte diskutieren sowie die Positionen der anderen Parteien zu erarbeiten und sich in deren Rolle zu versetzen, ist Ziel eines Fishbowls, der am Samstag Abend unter Anleitung der stellvertretenden Juso-Landesvorsitzenden Marlene Steg stattfindet. Und da geht’s richtig zur Sache: VertreterInnen der FDP werfen der Linken und der SPD vor, durch Überregulierung auf dem Arbeitsmarkt Frauen am Aufstieg zu hindern, die CDU wirft ihr mittelalterliches Familienbild in den Ring, SozialdemokratInnen betonen ihre führende Rolle in der Frauenbewegung und die Linke sieht die Lösung des Problems polemisch in der Abschaffung von Hartz IV.

Am Ende ist fast jede/r Teilnehmer/in mal in der Runde gesessen, um seine Gruppe zu vertreten, die Jusos haben eine Menge Spaß und die Jury kürt die SozialdemokratInnen als Sieger der Diskussion – welch ein Wunder!?

Mit Aufnahme des Themas Gleichstellungspolitik ins Programm betont der Juso-Landesverband erneut seinen Willen, auch in Zukunft gegen bestehende Hürden bei der Gleichstellung von Frauen und anderen gesellschaftlich benachteiligten Gruppen anzukämpfen und diese zu überwinden. Die Fortschritte der Großen Koalition beispielsweise in einigen Fragen der Familienpolitik können nicht darüber hinweg täuschen, dass es SozialdemokratInnen waren und sind, welche die entscheidenden Impulse für eine moderne Gleichstellungspolitik gegeben haben.

Vorsorgender Sozialstaat. Soziale Demokratie in Zukunft.
Wie kann die SPD auch in Zukunft stark sein? Christian Eheim, ehemaliger Landesausschuss-Prä-side, zeigt es in seinem Referat. Der Begriff der „Arbeiterpartei“ enge auf Dauer ein und solle doch lieber auf „Partei der Arbeit“ ausgeweitet werden, um die SPD auch für UnternehmerInnen und Selbstständige wählbar zu machen. Es gelte also, wieder in die Mitte der Gesellschaft zurück zu kehren. Das bedeute nicht in erster Linie endlose Diskussionen über Flügelkämpfe innerhalb der Partei, sondern konkrete Arbeit in den Vereinen vor Ort, neben Arbeit und Familie Mittelpunkt des sozialen Lebens vieler Menschen. Hier gelte es, sich einzubringen und über persönliche Kontakte eine Verbindung zur SPD zu schaffen. Die CDU ziehe ihren Vorsprung in Baden-Württemberg nicht in erster Linie aus ihrer inhaltlichen Stärke, sondern vor allem aus der festen Verankerung in zahlreichen Vereinen vor Ort.

Außerdem spricht Christian Eheim vom vorsorgenden Sozialstaat, dessen primäres Ziel es neben der Absicherung im Falle eines Arbeitsplatzverlustes sein müsse, Menschen in Arbeit zu halten und ihnen damit ein Selbstwertgefühl zu geben. Christian Eheim: „Arbeit und Soziales, das sind zwei Gebiete, auf denen wir ganz stark sind. Das wissen die Menschen. Darauf müssen wir uns konzentrieren, dann gewinnen wir am Ende.“

Modernes Marketing auch in der Politik
Darüber hinaus bekommen die Jusos wertvolle Tipps aus dem modernen Marketing auf den Weg. Der stellvertretende Juso-Landesvorsitzende Frederic Striegler macht den Anfang, zeigt Videos aus der Werbebranche und lässt die Jusos ihr Selbstbild analysieren. Schnell wird deutlich, dass Parteien in Zukunft viel stärker auf Marketing setzen müssen, um ihre Wähler zu erreichen. Es mag den einen oder anderen Anwesenden schockieren, Frederic Striegler bringt es auf den Punkt: Eine Botschaft müsse bis zu acht Mal ausgesandt werden, bevor sie sich in den Köpfen der Menschen festsetze.

An diesem Punkt knüpft Oliver Stegemann, Mitarbeiter im Büro des SPD-Bundestagsabgeordne-ten MdB Martin Gerster, an. Er ärgere sich ein jedes Mal, wenn einige Ortsvereine meinten, mit Wahlkampfständen aus den 70er Jahren gegenwärtig BürgerInnen gewinnen zu können. Weniger sei oftmals mehr. Lieber einen vernünftigen Stand mit wenigen, aber qualitativ hochwertigen Materialien (auch give-aways!) als einen durchgebogenen Tapeziertisch, der die interessierte Bevölkerung durch ein zu großes Angebot überflute. Und auch im Hinblick auf den Wahlkampf der Zukunft bietet Oliver Stegemann eine Richtschnur: Der werde zwar verstärkt im Internet stattfinden. „Es ist aber einfach nicht glaubwürdig, wenn ein Kandidat, der nie zuvor getwittert hat, jetzt meint, damit anfangen zu müssen“. Die Kampagne müsse zum Kandidaten passen. Wertvolle Tipps für die anwesenden Jusos, denn wer kennt nicht die Schwierigkeiten, einen Ortsverein im Wahlkampf zu modernisieren?

Und auch der Spaß kommt nicht zu kurz
Jusos wissen, dass man auch mal feiern muss, und dass zu Politik mehr als trockene Diskussionen gehören. Ein Spiele-Abend bringt alle an einen Tisch und sorgt für Erheiterung. In welcher anderen Partei darf man spielerisch schon mal seinen Landesvorsitzenden herausfordern? Am Lagerfeuer packt Frederic Striegler später seine Gitarre aus, Lieder werden angestimmt. Das Feuer ist warm, schnell ist der kalte Regen vergessen. Und als die Sonne am Samstag endgültig ihren Sieg übers schlechte Wetter errungen hat, rennen schon längst wieder Jusos übers Fußballfeld. Am Ende gewinnt die Mannschaft des Landesvorstandes haushoch. Auf in den Wahlkampf!

Der gesamte Bericht zum Juso-Bundestagswahlkampfcamp kann hier heruntergeladen werden (3 Seiten), PDF-Dokument

 

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